Kinder bei Übergewicht begleiten und gesundes Wachsen fördern
"Gesunde Routinen müssen alltagstauglich sein“ – Juliane Abel im Interview
Familienleben in MV | Hilfe & Beratung | Jugend
10. März 2025 | Administrator
Das Gewicht von Kindern ist für viele Familien ein sensibles Thema. Wenn Kinder zunehmen, sich wenig bewegen oder mit ihrem Körper unzufrieden sind, stellt sich die Frage: Verwächst sich das oder sollten Eltern eingreifen? Besonders herausfordernd wird es, wenn Stress, Zeitmangel oder eingefahrene Gewohnheiten gesunde Routinen erschweren.

Juliane Abel kennt diese Herausforderungen aus ihrer täglichen Arbeit. Sie ist Ernährungsberaterin, Krankenpflegerin und absolviert aktuell eine Ausbildung zur Bewegungspädagogin für Kinder. In den Familienhäfen Waren und Neubrandenburg der ISBW gGmbH hilft sie Familien, gesunde Gewohnheiten in den Alltag zu integrieren – ohne Druck und Verbote.

Zudem ist sie Teil eines regionalen Ärztenetzwerks und arbeitet eng mit dem Dietrich-Bonhoeffer-Klinikum (DBK) Neubrandenburg zusammen, das an der WEGIO-Studie zur genetischen Veranlagung von Übergewicht teilnimmt. Gemeinsam mit den Ärzten des DBK unterstützt sie Familien und informiert über Beratungs- und Hilfsangebote in Mecklenburg-Vorpommern.

Juliane Abel von der ISBW gGmbH

Unterschied zwischen Babyspeck und Adipositas: Was sollten Eltern über Übergewicht bei Kindern wissen?

Viele Eltern fragen sich: Ist das noch normaler Babyspeck oder schon ein gesundheitliches Risiko? Adipositas ist eine chronische Erkrankung – keine Charakterschwäche. Während leichtes Übergewicht oft unproblematisch ist, kann es unbehandelt zu ernsthaften gesundheitlichen Folgen führen.

Wann ist ein Kind übergewichtig?

Kinderärzte nutzen BMI-Perzentilkurven, um das Gewicht mit Gleichaltrigen zu vergleichen. Ab der 97. Perzentile(zwischen 2 und 5 Jahren) spricht man von Übergewicht. Spätestens dann ist ein Besuch beim Kinderarzt ratsam, um medizinische Ursachen auszuschließen und den Alltag zu analysieren.

Warum nehmen Kinder zu?

Drei Hauptfaktoren beeinflussen das Gewicht:

  • Genetik – Manche Kinder haben eine Veranlagung zur Gewichtszunahme.
  • Ernährung – Kalorienreiche, nährstoffarme Lebensmittel fördern Übergewicht.
  • Bewegungsmangel – Zu wenig körperliche Aktivität verstärkt das Problem.

Wie können Eltern helfen?

Eltern spielen eine Schlüsselrolle. Gesunde Routinen beginnen zu Hause:

  • Regelmäßige, ausgewogene Mahlzeiten statt strenger Diäten.
  • Mehr Bewegung – Fahrradfahren, Spielen, Spazierengehen.
  • Vorbild sein – Kinder orientieren sich am Verhalten der Eltern.

Welche Rolle spielen digitale Medien?

Zu viel Bildschirmzeit reduziert Bewegung und beeinträchtigt die motorische Entwicklung. Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin empfiehlt: Kinder bis 5 Jahre – maximal 30 Minuten pro Tag.

Ganz wichtig: Eltern sind Vorbilder – wenn sie selbst ständig am Handy sind, wird ein Medienverbot für Kinder unglaubwürdig. Besser: Gemeinsame Regeln aufstellen, z. B. kein Handy am Esstisch oder feste Bildschirmzeiten für alle. Statt Streit um Medienzeiten lieber spannende Alternativen anbieten: Gemeinsam spielen, draußen aktiv sein oder vorlesen. So lernen Kinder, dass es auch ohne Bildschirm Spaß macht!

Liegt Übergewicht an den Genen oder an der Lebensweise?

Neben der Lebensweise kann auch Genetik eine Rolle spielen – besonders bei starkem Übergewicht in der frühen Kindheit. Schätzungen zufolge haben 2–5 % aller Neugeborenen eine genetische Veranlagung für Adipositas. Hinweise darauf sind anhaltender Heißhunger, Entwicklungsverzögerungen oder Wachstumsprobleme.

Wenn Übergewicht in der Familie über Generationen ein Thema ist, lohnt sich eine ärztliche Abklärung. Die Folgen von Adipositas sind gravierend – von Diabetes bis hin zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Eltern sollten daher frühzeitig gegensteuern und Unterstützung nutzen.

Psychische Belastung macht vieles schwerer: Wie können Eltern ihr Kind stärken?

Bereits im frühen Schulalter werden Kinder mit negativen Körperbildern konfrontiert. Übergewichtige Kinder gelten oft als faul oder unattraktiv, was zu Ausgrenzung und mangelnder Wertschätzung führt. Das kann einen Teufelskreis aus Frustessen und sozialem Rückzug auslösen.

Eltern sollten das Thema offen und sensibel ansprechen. Fällt das schwer, kann Unterstützung durch den Kinderarzt oder einen Kinderpsychologen helfen – denn eine belastete Kinderseele kann das ganze Leben prägen.

Was tun bei Mobbing und Ausgrenzung?

Übergewichtige Kinder sind besonders oft von Mobbing betroffen. Um das zu verhindern, müssen Eltern, Lehrkräfte und Erzieher*innen zusammenarbeiten:

  • Offene Gespräche in der Klasse, um Vorurteile abzubauen.
  • Mitschüler*innen sensibilisieren, damit sie die Folgen von Mobbing verstehen.
  • Eltern der mobbenden Kinder einbeziehen, um gemeinsam Lösungen zu finden.

Zeigt ein Kind sozialen Rückzug, Antriebslosigkeit oder gedrückte Stimmung, können das Warnsignale für eine beginnende Depression sein – das Risiko dafür ist bei übergewichtigen Kindern doppelt so hoch. In schweren Fällen kann sogar ein Schulwechsel nötig werden. Doch je früher man handelt, desto besser lässt sich das Selbstwertgefühl des Kindes stärken.

Gesunde Routinen finden: Ernährung und Bewegung im Familienleben

Der Wunsch nach Veränderung muss aus der Familie selbst kommen. Es gibt viele geförderte Sport- und Ernährungsprogramme, doch oft suchen Familien erst Hilfe, wenn gesundheitliche Probleme auftreten.

Die gute Nachricht: Mit bewussten Veränderungen lassen sich viele dieser Probleme wieder in den Griff bekommen.

Ernährung bewusst gestalten

Essen ist mehr als Sättigung – es beeinflusst unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden. Ernährungsberatung setzt nicht auf Diäten, sondern zeigt, wie Lebensmittel optimal genutzt werden können. Es geht um ausreichende Nährstoffversorgung, gesunde Alternativen und den bewussten Umgang mit Essen.

Praktische Tipps für gesunde Essgewohnheiten

  • Gezielt essen statt nebenbei snacken – Hunger von Langeweile unterscheiden.
  • Wasser statt gesüßter Getränke – mit Früchten oder Minze aufgepeppt wird es spannender.
  • Süßigkeiten bewusst genießen – kein striktes Verbot, aber klare Regeln.
  • Mahlzeiten planen & vorkochen – gesunde Alternativen für stressige Tage parat haben.
  • Kinder einbinden – beim Einkaufen & Zubereiten mithelfen lassen, damit gesunde Lebensmittel attraktiver werden.

Bewegung in den Alltag integrieren

In einer Welt voller Bildschirme und schneller Transportmittel kommt Bewegung oft zu kurz. Doch kleine Veränderungen haben große Wirkung:

  • Kurze Wege zu Fuß oder mit dem Rad zurücklegen.
  • Treppen statt Aufzug nehmen.
  • Bewegungsangebote für Familien nutzen – vom Sportverein bis zum Indoorspielplatz.
  • Gemeinsame Aktivitäten planen – Schwimmen, Radfahren oder Spaziergänge.

Ohne Druck: Bewegung als Selbstverständlichkeit

Kinder brauchen Zeit, um neue Routinen zu entwickeln. Kein Zwang, sondern Freude an Bewegung ist das Ziel. Übergewichtige Kinder fühlen sich oft im Wasser wohler, weil Bewegungen leichter fallen. Planen Sie regelmäßige aktive Familienzeiten – sei es durch Ausflüge, Radfahren oder gemeinsame Sporteinheiten zu Hause.

Starten Sie klein:

  • Drei Tage pro Woche eine Stunde Bewegung – nach und nach auf täglich steigern.
  • Alternativen zu passiver Medienzeit finden – z. B. Bewegungsspiele oder aktive Apps.
  • Als Familie mit gutem Beispiel vorangehen – Kinder ahmen das Verhalten ihrer Eltern nach.

Alles ist am Anfang schwer, bevor es leicht wird. Aber jede kleine Veränderung zählt – und gemeinsam macht es mehr Spaß!

Unterstützung vor Ort finden: Wo bekommen Eltern und Kinder Hilfe?

Der erste Ansprechpartner sollte immer der Kinder- und Jugendarzt sein. Von dort kann eine gezielte Weitervermittlung erfolgen – sei es zur Ernährungsberatung, psychologischen Unterstützung oder spezialisierten Adipositas-Sprechstunden.

Anlaufstellen in Mecklenburg-Vorpommern

Dietrich-Bonhoeffer-Klinikum Neubrandenburg

  • Adipositas-Sprechstunde für Kinder und Erwachsene
  • Regelmäßige Infoveranstaltungen & Kochkurse für Familien

Offene Gesprächsgruppe „Schreckgespenst Übergewicht“ (Waren & Neubrandenburg) der ISBW gGmbH

  • Juliane bietet hier einen geschützten Rahmen für Austausch & Unterstützung
  • Themen: Ernährung, Bewegung, individuelle Geschichten & Herausforderungen
  • Gemeinsame Planung von Bewegungstagen & Aktivitäten

Niedrigschwellige Bewegungsangebote in der Umgebung nutzen

Niemand muss den Weg allein gehen – es gibt viele Hilfsangebote, die Familien auf ihrem Weg zu einem gesünderen Leben begleiten.

Julianes abschließender Rat für Eltern und Familien!

„Wer sich jetzt keine Zeit für Gesundheit nimmt, braucht später Zeit, um krank zu sein.

Nutzt eure Zeit bewusst – es gibt so viel Schönes jenseits von Bildschirmen. Jeder Tag kann ein neuer Anfang sein, und es reicht, einen Schritt nach dem anderen zu gehen. Ein Spaziergang, gemeinsames Kochen oder Bewegung im Alltag – kleine Dinge machen den Unterschied.

Dabei kann jeder Gang zum Spielplatz ein Abenteuer werden und die selbst aufgeschnittene Gurke für wahre Freuden sorgen. Gesundes Essen muss nicht teuer sein – wer saisonal einkauft und Mahlzeiten vorbereitet, spart Zeit und Geld. Und ihr seid nicht allein! Nutzt Selbsthilfegruppen und Angebote der Krankenkassen.

Aber den ersten Schritt – den müsst ihr selbst machen. Eure Gesundheit ist das wichtigste!“

Kontakt zu Juliane Abel aufnehmen

Juliane Abel bietet offene Gruppen in Waren und Neubrandenburg an und steht für individuelle Beratungsgespräche zur Verfügung. Sie prüft auch, ob eine Ernährungsberatung über die Krankenkasse abgerechnet werden kann. Direkte Anfragen sind jederzeit willkommen!

Juliane Abel

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